Sein und Ordnung – Werden im Chaos

"Vom Sein zum Werden - Zeit und Komplexität in den Naturwissenschaften" heißt Ilya Prigogines Werk aus dem Ende 1970er Jahre. Prigogines Arbeit brachte den Durchbruch von einer Physik der ewigen Ordnung zu einer Physik des Werdens aus chaotischen Vorgängen (siehe Video Ilya Prigogine on Chaos, Complexity & Art).

Sein und ewige Wiederkehr

Beim Philosophen

 

Die Philosophie mit den sieben freien Künsten

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 Hortus Deliciarum 960

Die sieben freien Künste (Bild aus dem Hortus Delicarium, 1180) oder besser Künste der Freien, umfassen die von einem freien Mann zu erwerbende Bildung. Seit der Spätantike werden sie mittels weiblicher Allegorien dargestellt.

 

Wikipedia: Sieben freie Künste - Artes Liberales

 

Endlich Vernunft - endliche Vernunft

Sein und ewige Wiederkehr das ist für die Philosophen bis ins 18. Jahrhundert der Himmel über uns.  "Periodische Bewegung, Anfang und Fortdauer" konnten seit dem 17-ten Jahrhundert berechnet werden. Die Philosophie lies sich daraus anregen, Wissenschaft zu werden. Vernunft im Kosmos und auf Erden begeisterte auch Immanuel Kant (1724 bis 1804) aus. Hören wir Kant in der Kritik der praktischen Vernunft selbst an:

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt:

Der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir."

Das ganze Zitat

Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir. ...

Das erste fängt von dem Platze an, den ich in der äußeren Sinnenwelt einnehme, und erweitert die Verknüpfung, darin ich stehe, ins unabsehlich Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch in grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer. ...

Das zweite fängt von meinem unsichtbaren Selbst, meiner Persönlichkeit an und stellt mich in einer Welt dar, die wahre Unendlichkeit hat, aber nur dem Verstande spürbar ist, und mit welcher (dadurch aber auch zugleich mit allen jenen sichtbaren Welten) ich mich nicht wie dort in bloß zufälliger, sondern allgemeiner und notwendiger Verknüpfung erkenne. ...

Der erstere Anblick einer zahllosen Weltenmenge vernichtet gleichsam meine Wichtigkeit als eines tierischen Geschöpfs, das die Materie, daraus es ward, dem Planeten (einem bloßen Punkt im Weltall) wieder zurückgeben muß, nachdem es eine kurze Zeit (man weiß nicht wie) mit Lebenskraft versehen gewesen. ...

Der zweite erhebt dagegen meinen Wert als einer Intelligenz unendlich durch meine Persönlichkeit, in welcher das moralische Gesetz mir ein von der Tierheit und selbst von der ganzen Sinnenwelt unabhängiges Leben offenbart.“

Quelle: KpV Beschluß (II 205.)

Der Himmel über mir bestätigt mich als endlichen Teil der unendlichen Natur, das moralische Gestz in mir erhebt mich als Verstandeswesen über die Natur. Auch wenn die Natur irgendwie da ist, ist sie nur Natur durch menschliche Vernunft, die ihr ihr Struktur und Ordnung gibt.

Aber nur im Rahmen des sinnlich Erfahrbaren. Schien es nach Newton den Philosophen noch so, mit Vernunft bis in das Absolute oder Unendliche hineingreifen zu können, so kommt Kant zu dem Schluss, dass die reine Vernunft sich in unauflösbare Widerprüche verstrickt, wenn sie es versucht.

Beim Physiker

Wider die eigene Vernunft - neue Welten eröffnet

Albert Einstein (1879 bis 1955) hat viermal die Grenzen der Physik durchbrochen. Er gilt deshalb zu Recht als ein Gigant, der die Entwicklung  – das Werden – der Physik bahnbrechend vorangetrieben hat. Der Kosmos allerdings war ihm stabiles Sein. Unvorstellbar, dass er sich entwickelt haben könnte. Anfang des 20-ten Jahrhunderts hat Einstein dennoch viele Türen und Fenster des Raumes einer verkrusteten, an die Mechanik glaubenden Physik geöffnet.

1905: Die Experimente (Phänomene) von Licht und Elektronen (1888  Wilhelm Hallwachs ) brachten ihn dazu, Lichtteilchen ähnlich den mechanischen Teilchen zu postulieren.

1905: Die unter dem Mikroskop beobachtete Zitterbewegung von Pollenteilchen (1827  Robert Brown) führte Albert Einstein auf den Stoss von Molekülen zurück.

1905: Die Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit  damit das Ende eines zumindest unendlich sichtbaren Universums ((1676 Ole Rømer und 1849 Louis Fizeau) sowie ihre Unveränderlichkeit (1881/ 1887  Albert Michelson und Edward Morly) nahm er zum Anlass, Raum und Zeit zur Raumzeit zusammenzuführen. Die zugehörige spezielle Releativitätstheorie vereinigte eine neue Mechanik (1687 Isaak Newton) mit der Theorie von der Elektrizität (1864 Clerk MaxwellClerk Maxwell und 1895 Hendrik Lorentz).

1915: Und als letztes, Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie.„Ich saß im Berner Patentamt in einem Sessel, als mir plötzlich der Gedanke kam: Wenn sich ein Mensch im freien Fall befindet, wird er seine eigene Schwere nicht empfinden können. Mir ging ein Licht auf. Die Begeisterung, die ich da empfand, trieb mich zur Gravitationstheorie.“ So zitiert der Deutschlandfunk (Relativitätstheorie - Einsteins wertvollster Fund) Einsteins "glücklichsten Gedanken oder Moment" seines Lebens. Nachdem er die Allgmeine Relativitätstheorie ausgearbeitet hatte, stelle er fest, dass seine Gleichungen das Universum nicht stabil sein ließen. Also führte er in die Grundgleichungen eine "kosmische Konstante" ein.

Mit der Konstanten sollte dann die Stabilität des Universums gesichert sein. War sie aber nicht.

 Vom Sein zum Werden

Konstanz gewollt - Entwickung erhalten

Einstein wurde mit der Konstanten nie so richtig glücklich. Er nannte sie bald seine größte "Eselei". Eine erste Ironie der Geschichte: Einsteins "Eselei" ermöglicht im Rahmen seiner Gleichungen das Werden des Kosmos.

Das demonstrieren Lösungen des Priesters Lemaître (1927, Georges Lemaître). Sie haben ein in der Zeit expandierendes Universum als Ergebnis. Dessen Alter schätzen wir heute auf Baisis dieser Theorie auf 13,6 Milliarden Jahre seit dem Urknall. Die Beobachtungen der Rotverschiebung von Hubble (1929, Hubble-Konstante) bedeuten ein Auseinanderdriften von Galaxien und bestätigen, dass das Universum sich entwickelt.

Wir beobachten mit immer präziseren Instrumenten größerer Reichweite, wie das Weltall sich ändert. Mit Einsteins Gravitationstheorie (Allgemeine Relativitätstheorie), mit quantenmechanischen Methoden Quantenfeldtheorie) und unter Nutzung unseres heutigen Verständnisses von Wärme (Thermodynamik) können wir uns viele dieser Veränderungen erklären.

Damit sind wir bei der zweiten Ironie der Geschichte. Einstein, der mit seiner Lichtqunatenhypothese und seiner Erklärng der Brownschen Wegung ein Tor zu neuem Verständnis des  Widerspruchs von Zufall und Notwendigkeit aufgestoßen hatte, hat den Zufall in der Natur nie anerkannt. "Gott würfelt nicht" ist sein Verdikt.

Das Weltall entwickelt sich und es entwickelt sich nicht deterministisch. Die Evolutionstheorie des Lebenden hat ihr Pendant in den physikalischen Theorien für die unbelebe Materiee gefunden

Der Weg zu einer Physik der Veränderung

Feuerstoff für werdende Vernunft

Tausende von Jahren faszinierte der Himmel Astronomen, Philosophen und Theologen als Reich der Harmonie und Ordnung. Als Galileo Galilei, Johannes KepplerIsaak Newton den Himmel auf die Erde holten, begann der Siegeszug der mechanistischen Physik, einer Physik von Gesetzen über alle Zeiten hinweg. Sie schien den Traum wahrzumachen, mit Vernunft über die Grenze des Erfahrbaren vorzustoßen.

Eine der sieben praktischen Künste. Mittelalterliche Schmiede

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Schmiede aus Planet Wissen 800

Die Zeichnung ist Planet Wissen entnommen, wo sie ohne Quellenangabe stand.

Als sieben praktischen Künste gelten seit dem Mittelalter laut Wikipedia:
Diese Künste galten als minderwertig im Vergleich zu den Künsten der Freien.

Wikipedia: "Die artes mechanicae wurden gegenüber den septem artes liberales (sieben freien Künsten) als niedrigerstehend angesehen. Während es für die Ausübung oder das Studium der freien Künste notwendig war, ein „freier Mann“ zu sein, konnten auch Unfreie die praktischen Künste ausüben. Die Tätigkeit von Sklaven im Altertum wurde daher auch Artes illiberales genannt. … Schon in der griechischen Antike gibt es Äußerungen, die praktische Tätigkeiten geringschätzig betrachten. In seiner „Politik“ lässt Aristoteles seiner Geringschätzung über das Handwerk freie Bahn: Die Handwerker vernachlässigten oft aus Liederlichkeit ihre Arbeit und bedürften einer „Tugend“, wie sie der Sklave braucht, nur insoweit, als sie Anteil an der Sklavenarbeit haben; die Stellung nämlich des Handwerkers sei die einer begrenzten Sklaverei (Pol. I, 13), und deshalb sei er auch kein Staatsbürger (Pol. III, 5; VII, 9)."

Schmiedekunst
Mehr zur Schmiedekunst im Mittelalter in Medieval Britain
Hinweise

Irdische Mühsal, Arbeit, Kunst, Krieg dagegen verändern erfahrbar die Welt. Und aus der Welt kommen die Zweige der Physik, die die alte deterministsche, auf Ewigkeit angelegte Mechanik als Grundlage aller Wissenschaft entthront haben. Man liegt nicht schlecht, wenn man die Artes Mechanicae als weitere Grundlage der modernen Physik auszumacht, (siehe Artes mechanicae) im Widerspruch zu den Artes Liberales (siehe Sieben freie Künste), die sich mit Mechanik und Vernunft gekrönt haben. Gegensätze befeuern Erkenntnis und Tun.

Der Himmel, auf die Erde geholt, brachte Vernunft und Mechanik. Die Entwicklung praktischer Tätigkeiten mit den Elementen Feuer, Luft, Erde, Wasser führt uns zu Chemie, Wärmelehre, Optik, zur Physik des Fließens sowie der Elektrizitätslehre. Mit Beginn des Industriezeitalters bewegt die Frage, wie Wärmekraftmschinen optimiert werden können, die Techniker (1698 Thomas Savery, 1712 Thomas Newcomen, 1769 James Watt). Die so entstandene Wärmelehre (1798 Benjamin Thompson, 1824 Sadi Carnot, 1865 Rudolf Clausius) profitiert von den Methoden der mechanischen Physik. Während die mechanische Physik (als experimentelle Methode und Theorie) aus einem Wechselspiel von philosophischer Vernunftsuche und ins Unendliche reichendem physikalischem Determinismus entstanden ist, erreicht die Wärmelehre die Höhen der Philosphie eher da, wo sie sich an der Verteidigung deterministischer Kausalität abarbeitet.

Wärme über mechanische Energie erklärt, das scheint noch verständlich. Die Unmöglichkeit, diese Energie beliebig nutzen zu können, scheint gegebene Vernunft nicht erklären zu können, weil Zufall ins Spiel kommt. Wir möchten uns auf Zusammenhänge im Leben verlassen, obwohl das Notwendige zur Last wird. Wir hassen das zufällige Unglück so wie wir das Glück lieben. Wir  jubeln über ein glückliches Ende beim Fussball, am besten in allerletzter Minute.

Beginnen wir die Reise: Von "Körper am Himmel" über "Feuer auf Erden" und lassen zunächst Mechanik auf Wärme treffen. Ernüchternd für die Mechanik. Die Welt des Werdens hat dann viele Landschaften: Keimbildung, Statistik, Ordnung aus Chaos, chemische Bindung, schwache Wechselwirkung, Kosmologie ... . Mal sehen wieviele wir davon bereisen können.